Das Sterben im Mittelmeer geht immer weiter, doch die Menschen, die sich für Seenotrettung einsetzen, werden kriminalisiert. So auch Pia Klemp, die nun einer Anklage u. a. wegen Schlepperei entgegen sieht. Bis zu 20 Jahre Gefängnis und eine Geldstrafe von 15.000 Euro pro geretteter Person drohen ihr.
Sie und ihre Mitstreiter:innen haben ungefähr 14.000 Menschen aus Seenot gerettet, waren mit der Iuventa und der Sea Watch 3 im Mittelmeer unterwegs. Anstatt die Geretteten zurückzubringen, wo sie her kamen, haben sie sie aber in sichere europäische Häfen gebracht. Das hat jetzt ein gerichtliches Nachspiel, was auch für Kapitänin Carola Rackete gilt, die derzeit im Visier der italienischen Behörden und der Medien steht.
Hans Mörtter hat nun für Pia Klemp stellvertretend für alle Seenotretter und -retterinnen eine Mischung aus Solidaritäts- und Benefizveranstaltung organisiert, SOS Save Our Souls. Pia Klemp arbeitete früher als Tauchlehrerin und in Naturschutzgebieten in Indonesien. Danach war sie sechs Jahre lang für die Meeresschutzorganisation Sea Shepherd tätig, woraufhin sie auch ihr Kapitänspatent erwarb. Ab 2015 beteiligte sie sich an der Seenotrettung im Mittelmeer, wird seit 2017 aber von den italienischen Behörden verfolgt und zog sich etwas zurück. – Am 2. September 2019 am ihr Buch „Lass uns mit den Toten tanzen“ im Maro-Verlag heraus, in dem sie in Romanform die Ereignisse verarbeitet.
Das Thema der Kriminalisierung von Lebensrettern war schon mal Thema eines Talkgottesdienstes 2009, als Elias Bierdel drei Wochen vor seinem Urteilsspruch in Italien bei uns war. Auch er hatte Menschenleben gerettet.
Die Moderatorin, Shary Reeves, eine gebürtige Kölnerin mit kenianischen und tansanischen Wurzeln, führte durch den Abend. Trotz des ernsten Themas schaffte sie es, angemessen witzig und unterhaltsam zu sein, denn an diesem Abend sollte auch der Kunst ein gebührender Rahmen geboten werden.
Danach trat der Initiator Pfarrer Hans Mörtter mit Kapitänin Pia Klemp das erste Mal auf und freute sich über das ausverkaufte Haus: „Wenn die Philharmonie heute nicht ausverkauft wäre“, scherzte Mörtter, „wäre ich nach Berlin gegangen. Ich bin froh, dass ich in Köln bleiben kann“. Er kam sehr schnell auf den Grund der Veranstaltung zu sprechen, der Solidarität einer Frau und deren Crew gegenüber, die mit 20 Jahren Haft und Strafen in dreistelliger Millionenhöhe bedroht werden, weil sie Flüchtlinge aus dem Mittelmeer gerettet haben, was ihnen als Schlepperei vorgehalten wird. „Wir stehen an der Seite von Pia Klemp“, betonte Mörtter, die schnell ergänzte, dass sie nur stellvertretend für ALLE da war, die die Seenotrettung ermöglichen.
Die aus Detmold stammende Pianistin Sina Kloke hat sich auf internationalen Bühnen längst einen Namen gemacht und spielte virtuos das berühmte „Prelude in C sharp minor“ von Sergei Wassiljewitsch Rachmaninow.
Kristin Steffen vom Schauspiel Köln trug einen Auszug aus dem neuen Roman von Pia Klemp vor: „Lass uns mit den Toten tanzen“. Darin ging es um eine Begegnung mit der sogenannten libyschen Küstenwache, bei der viele Flüchtlinge ertrunken sind, einige zurück nach Libyen verschleppt wurden und ein Teil von einem NGO-Schiff gerettet werden konnte.
Die Niederländerin Tara Bouman mit der Bassklarinette und Markus Stockhausen auf der Trompete sorgten für Gänsehautmomente mit „Moving Sounds“. Dabei verweben sie intuitive Musik mit eigenen Kompositionen, die sie spontan nach der Schwingung im Raum und dessen Akustik kreieren. Dabei entführen sie das Publikum in ganz besondere Klangwelten.
„Das Miteinander hier macht unsere Kraft aus, denn im Mittelmeer droht unsere Seele zu ertrinken“, erklärte Mörtter.„Die sogenannte libysche Küstenwache ist eine große Lüge Europas. Die EU bezahlt libysche Milizen als Küstenwache. Die retten aber nicht, sondern bedrohen die Rettungsschiffe der NGOs über Funk oder mit Maschinenpistolen. Das ist von der EU gewollt und gemacht“. Pia Klemp ergänzte: „Die Flüchtlinge, die von der sogenannten libyschen Küstenwache aus den Booten gefischt werden, ertrinken oft aber lieber als zurückgebracht zu werden. Bei einer Rettungsaktion von uns war auch mal ein europäisches Schiff in der Nähe. Als ich fragte, warum sie nicht helfen, hieß es: ‚Meine Crew nimmt gerade einen Snack'“.
Der erfolgreiche Poptitel „The Prayer“ von David Foster et al. wurde von der Mezzosopranistin Sandra Schwarzhaupt-Calderón und ihrem Ehemann, dem Tenor Lázaro Calderón, auf deren ganz eigene Art vorgetragen. Instrumental begleitet von Sina Kloke, Joon Laukamp und Lena Wolf.
Zwei Mitglieder des Ensembles Repercussion, Johannes Wippermann, Marimba, und Rafael Sars, Vibraphon, loteten gekonnt die Klangmöglichkeiten ihrer Instrumente aus. Sie spielten „Allemande“ und „Courante“ aus der Französischen Suite Nr. 2 von Johann Sebastian Bach.
Ein bedrückender aber wichtiger Teil des Abends wurde von Sabine Postel getragen, die aus dem Buch von Melissa Fleming vorlas: „Doaa – Meine Hoffnung trug mich über das Meer“, die darin eine Frau beschreibt, die tage- und nächtelang auf dem Wasser trieb, rings um sich viele Menschen ertrinken sah und wie durch ein Wunder überlebte.
Die Musik von Blues-Legende Richard Bargel und seiner Slideguitar war genau das Richtige im Anschluss. Er sang „Bird On a Wire“ von Leonard Cohen.
Peter Licht performte seinen Song „Der gerade Weg“ mit Benedikt Filleböck am Piano.
William Wahl sang „Timbuktu“, begleitet von Charlotte Jacke am Cello.
In einem dritten Gespräch zwischen Pia Klemp und Hans Mörtter ging es darum, dass man kein Held sein muss, um sich für die Seenotrettung einzusetzen. Pia ist Kapitänin und tut das, was sie kann. Das kann jeder auf seine individuelle Art auch machen. Sie freute sich über die Solidarität, meinte aber: „Die Flüchtlinge brauchen Eure Solidarität viel mehr als wir von der Seenotrettung“. Die Schikanen und die Situation seien nicht tolerierbar. Dazu bräuchte sie unsere Hilfe, dass wir „gegen das Sterben im Mittelmeer aufstehen“.
Danach sorgten die Local Ambassadors für Stimmung, deren Mission es nach eigenen Angaben ist, „jeden Zuhörer zum Tanzen zu bewegen und dabei für Völkerverständigung, Frieden, Liebe und Respekt zu werben“. Die Sängerin Mirta Junco rief dem Publikum noch zu: „Ihr seid hier für die beste Sache der Welt“.
Mirta Junco, Vocal
Melane Nkounkolo, Vocal
Roland Peil, Percussion
Gert Kapo, Keys
Vincent Themba Goritzki, Gitarre
Emanuel Stanley, Bass
Der von Hans Mörtter als „Teufelsgeiger“ bezeichnete Christoph Broll kann Geige spielen, während er Treppen heruntersteigt, sich durch Zuschauerreihen zwängt und im Takt hüpft. Er wurde begleitet von Stefan Bender und Ralf Göbel an den Gitarren und Enno Kremser am Kontrabass von der gemeinsamen Band Szenario.
Abschließend sang Sandra Schwarzhaupt-Calderón „Freude schöner Götterfunken“, worin 120 Sänger und Sänger:innen aus den Chören des Argentiniers Mariano Galussio einstimmten.
Das Finale: v. l. Kristin Steffen, Sabine Postel, Jörg Krauthäuser, Stefan Kriegeskorte, Gaby Falk, Lázaro Calderón, Richard Bargel, Sandra Schwarzhaupt-Calderón.
hinten links: Johannes Wippermann, Rafael Sars, zweite Reihe v. l. Sandra Schwarzhaupt, Benedikt Filleböck, Mirta Junco, Melane Nkounkolo
vorne v. l. Christoph Broll, Pia Klemp, Einsatzbootfahrer Thomas Scheible, Hans Mörtter.
Im Vordergrund Kapitänin Pia Klemp, Einsatzbootfahrer Thomas Scheible, der bei uns zum Talkgottesdienst war, und ein glücklicher Hans Mörtter.
Beim großen Finale kamen alle Künstler und Künstlerinnen noch einmal auf die Bühne und sangen gemeinsam das Stammbaumlied von den Bläck Fööss in der auf Flüchtlinge umgetexteten Version von Gaby Falk. Dabei stand das gesamte Publikum auf und sang den Refrain mit.
Hans Mörtter dankt ALLEN, die sich für das Gelingen des Abends eingesetzt haben. Das war gemeinschaftlich und ehrenamtlich. Die Organisation und Pressearbeit wurde von facts & fiction übernommen, insbesondere von Jörg Krauthäuser, Claudine Engeser und Ulrike Schwinn-Zeimetz. Besonderen Dank gilt dem Hausherrn der Philharmonie, Intendant Louwrens Langevoort, seinen Technikern, den Bühnenarbeitern und dem gesamten Team des Veranstaltungsortes. Dank auch an alle, die gekommen sind und allein durch ihre Anwesenheit ein Zeichen gesetzt haben, darunter die 120 Mitglieder des Chors, die hier nicht namentlich aufgelistet werden können, aber ein so wundervolles Finale mitgestaltet haben. Wir haben vielleicht einige weitere nicht namentlich erwähnt, aber auch ihnen sei gedankt, denn sie haben den Abend mitgetragen und Energien freigesetzt, die zu einer Verbesserung der Lage im Mittelmeer führen können und zum Schutz derer beitragen, die vor Ort für uns Aufgaben übernehmen und nicht nur Menschenleben retten, sondern uns als EU-Bürger:innen ein Stück Menschlichkeit zurückgeben.
Inspizienz: Jörg Lindner
Tontechnik: Philipp Skiba, Jogi Kreeck, Jüün van Eeden
Licht: Moritz Hammerschlag, Vorbereitung, Jens Decker während der Vorstellung
Konrad Schubert, Azubi zum Bühnenmeister
Allein acht Bühnenhelfer von der Philharmonie
Organisation: Christoph Broll, Stefan Kriegeskorte
Regie: Joschi Vogel
Mitwirkende bei SOS – Save Our Souls
2019
Kapitänin Pia Klemp
Organisator Hans Mörtter
Moderatorin Shary Reeves
Lesung: Sabine Postel
Lesung: Kristin Steffen, Schaupiel Köln
Musiker:innen
Markus Stockhausen
Tara Bouman
Sina Kloke
Richard Bargel
Christoph Broll
Stefan Bender
Ralf Göbel und Enno Kremser
Cölner Barockorchester
Sandra und Lázaro Calderón
The Local Ambassadors
William Wahl
Peter Licht
Repercussion, Johannes Wippermann, Rafael Sars
Mariano Galussio und 120 Chorsänger- und sängerinnen
Interview mit Hans Mörtter
Seenotrettung ist unverzichtbar - Teil 1
„Ganz oben hat die Kostbarkeit des Lebens zu stehen“ - Teil 2
"Ein Bekenntnis zum Leben auf hohem künstlerischen Niveau“ - Teil 3
Rückenwind für Pia Klemp und alle Seenotretter und -retterinnen - Save Our Souls 2019
Seenotrettung ist eine humanitäre Verpflichtung - Save Our Soul 2020
Benefizveranstaltung in der Kölner Philharmonie - Save our Souls 2022
Artikel im Kölner Stadtanzeiger vom 3. Oktober 2019
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